Corona überlagert Migration und Integration

Im Jahr 2020 wurden ein Viertel weniger Asylanträge in Deutschland gestellt als in den Vorjahren. Jede dritte Person aus den wichtigsten Herkunftsländern war Anfang 2021 sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt, heißt es im 3. Malteser Migrationsbericht. 

In ihrem 3. Migrationsbericht stellen die Malteser wichtige Entwicklungen der Migration in Deutschland vor. Wesentliche Basis dafür ist die wissenschaftliche Analyse durch Prof. Lars Feld, Direktor des Walter Eucken Instituts in Freiburg. Er betont, „dass die Zahl der Schutzsuchenden weltweit mit mehr als 80 Millionen Menschen einerseits einen Rekordwert erreicht hat. Andererseits haben die Grenzschließungen und strengen Einreiseregeln im Rahmen der Corona-Pandemie die Migration stark beeinflusst. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr ein Viertel weniger Asylanträge gestellt als in den Vorjahren.“

Zu den allgemeinen Entwicklungen gehört laut Feld der wachsende Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung. „Er beträgt mittlerweile 26 Prozent, wovon zwei Drittel der Menschen im Ausland geboren wurde, ein Drittel in Deutschland.“ 

Für den Arbeitsmarkt sieht Wirtschaftswissenschaftler Feld positive Entwicklungen. Er nennt unter anderem zwei Aspekte: „Jede dritte Person aus den wichtigsten Asyl-Herkunftsländern war Anfang 2021 sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt, nachdem es im Jahr 2016 nur etwa jede zehnte Person war.“ Und: „Die sogenannte Westbalkanregelung hat sich in den Jahren 2016 bis 2017 mit hohen Beschäftigungs-quoten, stabilen Beschäftigungsverhältnissen und vergleichbaren Verdiensten als erfolgreiches Modell der Arbeitsmarktintegration erwiesen.“ 

Kriminalität - von Schutzsuchenden und gegen sie
Bei den Straftaten hat der Anteil der Schutzsuchenden stärker abgenommen als andere Gruppen – bei insgesamt sinkender Kriminalitätsrate in den beiden Jahren 2019 und 2020. Prof. Feld: „Dagegen hat die Kriminalität gegen Schutzsuchende erheblich zugenommen. Die Hasskriminalität – zum Beispiel fremdenfeindliche, antisemitische und islamfeindliche Straftaten – stieg 2020 gegenüber 2019 um ein Fünftel an. Und die Zahl der Schutzsuchenden, die Opfer von Straftaten wurde, nahm um sieben Prozent zu. Zu fast 80 Prozent handelte es sich dabei um Körperverletzung.“

Einen neuen Aspekt greift der Malteser Migrationsbericht mit dem Thema Menschenhandel auf. Lars Feld sagt: „Experten schätzen, dass 160.000 Menschen in moderner Sklaverei leben. Das tatsächliche Ausmaß an Delikten ist jedoch anhand der gegebenen Datenlage schwer zu beurteilen. Er vermutet im Bereich von Menschenhandel und Organisierter Kriminalität ein „beträchtliches Dunkelfeld“. Es gebe einen grundlegenden Bedarf zur Verbesserung der Datenlage und zur Bekämpfung von Menschenhandel.“

Erfolgreich entwickelt hat sich nach Meinung der Wissenschaftler des Walter Eucken Instituts auch die soziale Integration von Schutzsuchenden. So haben nur noch zwölf Prozent von ihnen das Gefühl, sozial isoliert zu sein. Im Jahr 2017 äußerten diese Einschätzung noch doppelt so viele Geflüchtete. Wichtige dabei seien die Sprachkenntnisse. Prof Feld: „Die Deutschkenntnisse der Geflüchteten verbesserten sich fortlaufend. Im Jahr 2019 wies knapp die Hälfte der Befragten sehr gute bis gute Deutschkenntnisse auf. Während der Corona- Pandemie schätzten aber 43 Prozent der befragten Geflüchteten ein, dass sich ihre Deutschkenntnisse verschlechtert haben.“

Fortschritte in der Politik notwendig
Für die Malteser bleibt Migration ein besonders wichtiges Thema, zu dem international Lösungen geschaffen werden müssen. Der Beauftragte für den Migrationsbericht, Karl zu Löwenstein, kritisiert: „Viele erforderliche Lösungen müssten auf europäischer Ebene gefunden werden. Die Verhinderung des Todes tausender Menschen auf den Fluchtrouten über das Mittelmeer beispielsweise lässt sich nicht auf nationaler Ebene erreichen. Es ist mehr als bedauerlich, dass hierzu in den letzten Jahren kaum Fortschritte gemacht wurden.“

Dagegen sieht Löwenstein „in der Integration der Geflüchteten in den vergangenen fünf Jahren große Fortschritte; von den Erfolgen in der Arbeitsmarktintegration zum Beispiel sind wir alle positiv überrascht. Auch die gesellschaftliche Teilhabe konnte durch viel Engagement tausender Ehrenamtlicher, die den schutzsuchenden Menschen eine Brücke in unsere Gesellschaft anbieten, deutlich verbessert werden. Integration geschieht in der Begegnung von Menschen.“ Er stellt aber fest, „dass der Impuls aus der Bevölkerung der Jahre nach 2015, zur Integration der Schutzsuchenden in unsere Gesellschaft beizutragen, vielerorts zu erlahmen scheint.“ Löwenstein appelliert an die Menschen, „offen auf die neu ankommenden Menschen zuzugehen und gemeinsame Aktivitäten zu suchen“. Das Projekt des Bundes zur Unterstützung von Integrationsdiensten, wie sie die Malteser leisten, müsse von der künftigen Regierung bundesweit fortgeführt werden.  

Der Migrationsbericht kann hier heruntergeladen werden: Fakten statt Stimmungslage: Malteser Migrationsbericht 2021